Konzertbericht: Blue Öyster Cult live im Tempodrom/Berlin, 03.06.2025
- Redaktion
- 8. Juni
- 4 Min. Lesezeit
Rocklegenden mit Haltung, Herz und Geschichte...ein Konzert, das nicht laut brüllte, sondern tief atmete...

Der Name Blue Öyster Cult (kurz: BÖC) wirkt auf den ersten Blick irritierend – eine rätselhafte Kombination aus englischer Auster und deutschem Umlaut. Doch hinter dieser ungewöhnlichen Schreibweise verbirgt sich mehr als ein bloßer Stilgriff: Sie ist ein bewusster Verweis auf die dramatische, fast opernhafte Klangwelt der Band – eine Hommage an die wagneresken Einflüsse ihrer Musik. Später übernahmen zahlreiche Bands wie Motörhead oder Mötley Crüe den sogenannten "Metal-Umlaut", um sich in ähnlicher Weise stilistisch abzugrenzen.
Doch Blue Öyster Cult waren die ersten – und wie so oft: ihrer Zeit voraus.
Seit 53 Jahren(!) ist die Band – in wechselnden Besetzungen – aktiv.
Während der Hard Rock und frühe Heavy Metal in den Siebzigern vor allem aus England kamen, brachten Eric Bloom und Donald „Buck Dharma“ Roeser aus den USA einen ganz eigenen Sound in die Szene ein. Psychedelische Elemente, düster-romantische Sci-Fi-Texte, epische Songbögen und abrupte Tempowechsel: Blue Öyster Cult kreierten Klanglandschaften, in denen Unvorhersehbarkeit zur Methode wurde. Sie blieben zwar kommerziell stets im Schatten von Genregrößen wie Led Zeppelin oder Deep Purple – doch ihr Einfluss auf spätere Bands wie Metallica, Queensrÿche oder Ghost ist unbestreitbar.

Ein exklusives Konzert in Deutschland
Beim Gastspiel im Berliner Tempodrom handelte es sich um den
einzigen Deutschlandtermin der aktuellen Tour.
Eine exklusive Gelegenheit – und vielleicht eine der letzten –, die Rockveteranen live zu erleben. Die Halle war im Innenraum (Manege) bestuhlt und gut gefüllt, wenn auch nicht ausverkauft. Die oberen Ränge blieben teils deutlich leer.
Es war schnell klar: Hier versammelten sich keine Zufallsgäste, sondern echte Fans.
Gegen 20 Uhr begann das Konzert mit einem Hauch cineastischer Grandezza:
Die Band betrat die Bühne zu den monumentalen Klängen des "Blade Runner End Titles Theme" – ein passender Auftakt für eine Gruppe, deren Texte und Ästhetik oft zwischen Realität und Fiktion, zwischen Dystopie und Rockopern-Flair changieren.
Klangbilder zwischen Vergangenheit und Gegenwart
Mit dem Klassiker "Transmaniacon MC" aus dem Debüt von 1972 ging es zurück an die Wurzeln. Eric Bloom übernahm den Gesang, und obwohl seine Stimme nicht mehr die Kraft vergangener Tage hat – was stellenweise zu Verständnisproblemen führte – beeindruckte er mit Haltung, Präsenz und einem wachen Blick fürs Publikum. "Before the Kiss, a Redcap", gesungen von Buck Dharma, folgte – inklusive feinfühliger Gitarrenarbeit, die sowohl filigran als auch kraftvoll daherkam.

Dann: "I’m on the Lamb but I Ain’t No Sheep" – ein Song, der in seiner rohen Urform noch den Blues-Einfluss der frühen Jahre durchscheinen lässt. Richie Castellano, der als Multiinstrumentalist längst zur tragenden Säule der Band geworden ist, wechselte mühelos vom Keyboard zur Gitarre. Mit "Golden Age of Leather" folgte ein Stück, das sich thematisch mit Vergänglichkeit beschäftigt – ironisch, selbstreflexiv und fast schon wehmütig. Das Publikum stieß mit Plastebechern an, als wäre man sich der besonderen Atmosphäre des Abends kollektiv bewusst.
Die Songauswahl ließ eigentlich keine Wünsche offen:
"Burnin´ for You", "Dancin´ In the Ruins", "Cagey Cretins" und "Harvest Moon" wechselten sich ab – ein Balanceakt zwischen Hits und tieferen Cuts. Besonders "ME 262" und "Hot Rails to Hell" hoben die Intensität spürbar an.
Castellano – mit seinen 45 Jahren fast vier Jahrzehnte jünger als die Gründungsmitglieder – trug diese Songs mit einer Wucht, einer Virtuosität und einem Bühnencharisma vor, das das Publikum mitriss. Richie war nicht nur instrumental dominant, sondern auch stimmlich beeindruckend – und spätestens bei "Hot Rails to Hell" war klar, dass er der heimliche Star des Abends war.

Erfahrung trifft Leidenschaft
Das Gitarrensolo von Buck Dharma in "Then Came the Last Days of May", war so hingebungsvoll, teils kniend gespielt, und zeigte, dass musikalische Größe nichts mit Jugend zu tun hat. Es war einer der emotionalen Höhepunkte des Konzerts
mit stehenden Ovationen als verdientem Lohn.
Mit "Tainted Blood" – einer Komposition vom letzten Studioalbum – bewies die Band, dass sie auch heute noch Relevanz hat. Blue Öyster Cult klangen hier frisch, fokussiert, und mit einem Gespür für Melodie, das an die frühen 80er erinnerte. "Godzilla" brachte die Halle endgültig zum Brodeln. Castellano, Radino und Dharma lieferten sich ein intensives Zusammenspiel, während Bloom und Miranda kurzzeitig die Bühne verließen.
Doch sie kehrten pünktlich für das ikonische "Don’t Fear the Reaper zurück" ein Song, der wie kein anderer für die Aura der Band steht: düster, melancholisch und dennoch hymnisch.

Ein würdiger Abschluss – mit Augenzwinkern
Die Zugaben "Black Blade" und "Cities on Flame with Rock ’n’ Roll" rundeten den Abend ab. In letzterem begab sich Eric Bloom demonstrativ mit an das Schlagzeug und trommelte mit – eine Szene mit Augenzwinkern, die zeigte, wie viel Spielfreude in dieser Band auch nach Jahrzehnten noch steckt.
Nach 110 Minuten war Schluss – ohne großes Pathos, aber mit Würde.

Fazit:
Nicht alles glänzte. Die Dynamik, einst Markenzeichen der Band, wirkte an manchen Stellen geglättet. Die Stücke, die früher durch eruptive Brüche und unerwartete Richtungswechsel bestachen, klangen stellenweise linear und zu gleichförmig. Der Sound war nicht immer ausgewogen, einige Songs verloren an Tiefe. Das mag dem Alter der Band, aber auch der akustisch schwierigen Halle geschuldet sein.
Blue Öyster Cult zeigten in Berlin keine makellose Perfektion, sondern Authentizität.
Es war ein Abend für Hinhörer, nicht für Partygänger.
Ein Konzert, das nicht laut brüllte, sondern tief atmete.
Die Band bewies Haltung – und dass Rockgeschichte auch im Jahr 2025 noch auf der Bühne gelebt werden kann. Nicht in Gigantomanie, sondern mit Seele.
Wer an diesem Abend im Tempodrom war, ging mit dem Gefühl nach Hause, Zeuge einer selten gewordenen Form von Konzertkultur gewesen zu sein:
einer, die nicht von Showeffekten lebt – sondern von Musik.

(Wir bedanken uns rechtherzlich an dieser Stelle für das Pressematerial, die Akkreditierung und die professionelle Organisation beim Concertbüro Zahlmann GmbH)
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