Konzertbericht: Peter Doherty - Felt Better Alive (Support: Thomas Urwin, Paul Dechering, Jack Jones)
- Redaktion
- vor 5 Stunden
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vom 03. Mai 2025 aus Leipzig, Täubchenthal
„The last of the likely lads”

Wer an Pete Doherty denkt, denkt an Chaos, zugedröhnte Interviews, zerlegte Hotelzimmer, an Kate Moss, Amy Winehouse und kaputte Romantik.
An ein Talent, das sich oft selbst im Weg stand.
Und doch kamen sie alle an diesem Abend ins ausverkauften Täubchenthal:
Neugierige, Nostalgiker, eingefleischte Fans, die sich nicht sicher waren, ob sie ein Skandalrest aus alten Zeiten erwartet oder vielleicht doch ein echter Musiker.
Unterm Strich: Aus Pete wurde über die Jahre hinweg ein Peter.
Er taucht auch tatsächlich auf, aber nicht auf der Bühne, sondern mitten im Publikum. Keine Rockstar-Allüren, keine Security. Peter Doherty verkauft eigenhändig CDs. Nicht seine, sondern die seines ersten Support-Acts Thomas Urwin, der gerade auf der Bühne steht und spielt. Die Szene ist so unglamourös wie herzlich. Man spürt, dass Peter niemanden beeindrucken will. Hier geht es um Musik und Menschlichkeit.

Der gebürtige Nord-Ire Thomas Urwin kam nicht nur mit seiner Gitarre, sondern auch mit einer ungewöhnlichen Geschichte nach Leipzig. Getreu dm Motto „Versuchern wir mal unser Glück“ fragte er Peter bei einem Konzert in Hamburg im vergangenen Frühjahr, ob er in seiner Heimatstadt Belfast für ihn eröffnen dürfe. Aus dieser Frage entwickelte sich ein spontaner Opening Act für Hamburg, Berlin und die gesamte Irland-Tour sowie eine fünftägige Aufnahmesession eines Albums in der Normandie, wo Peter Doherty mit seiner Familie seit einigen Jahren lebt.
Ursprünglich, wie heutzutage üblich, waren zwei Support-Acts an diesem Abend vorgesehen, doch Peter hält sich nicht an Regeln, besonders nicht, wenn er Talent erkennt. Und so wiederholt sich die Geschichte von Thomas Urwin auf nahezu gleiche Art und Weise für den Leipziger Musiker Paul Dechering.

„Ich habe Peter vor dem Konzert angesprochen und gefragt, ob wir auf der Bühne gemeinsam ein Lied spielen können. Er musste verneinen, aber bot mir spontan an, heute in seinem Vorprogramm zu performen. Ich darf sogar seine Gitarre benutzen. Ich bin so aufgeregt! Wenn ich mir jetzt in die Hose mache, was tatsächlich passieren kann, dann war es das wert“ erklärte Paul Dechering, welcher sonst in Begleitung seiner Band Nikita Curtis auf der Bühne steht, dem Publikum mit einem Augenzwinkern, bevor er zwei sehr gefühlvolle Stücke zum Besten gab.

Was dann folgte, war Jack Jones. So knackig, wie der Name des Walisers, war auch das, was er auf die Bühne brachte: Experimentellen Elektropop, einen Laptop, der nach jedem Song erstmal wieder runterkühlen musste, dazu seinen typisch britischen Humor, trocken, charmant und leicht verrückt. Ein Kontrastprogramm zu dem, was sich bis dahin auf der Bühne abgespielt hatte. Und dann, ganz plötzlich, steht Peter Doherty neben ihm, um gemeinsam ein weiteres Lied zu spielen. Keiner im Publikum hatte jedoch das Gefühl, dass Peter seinem Support auf irgendeine Art und Weise die Show stehen wollte.
Stattdessen entwickelte sich eine Dynamik zwischen den beiden, die an alte The Libertines-Zeiten und das Duo Carl Barât und Peter Doherty erinnerte.

„Total Eclipse of the Heart” von Bonny Taylor dröhnt als Intro durch den Club.
Ironie? Wahrscheinlich!
Der Auftritt von Peter Doherty beginnt mit Kitsch und einer Prise Herzschmerz, aber von der guten Sorte, bei der man lächelt und sich fragt, was sich Peter dabei gedacht hat.
Peter Doherty ist an diesem Abend nicht der Headliner eines durchinszenierten Comebacks. Er ist auch kein Schatten seiner selbst, sondern er ist einfach da. Warm, ein bisschen seltsam und nahbar und irgendwie einer der letzten seiner Art.
Peter wird begleitet von einer Band, zu der unter anderem auch seine elfengleiche Frau Katia de Vidas am Keyboard und der nicht ganz zu fassende Jack Jones an der Gitarre gehören. Völlig unaufgeregt, kein großes Licht, nur Musiker. Peter hält ein Comicheft in der Hand, in welchem lose Blätter stecken. Mit hochgezogener Augenbraue fragt man sich, was er damit vorhat oder ob es einfach nur ein Relikt ist, welches ihm Sicherheit auf der Bühne gibt, wenn er es nur fest genug umklammert.

Peter Doherty hat sich in den letzten Jahren optisch auch sehr verändert. Aus dem einst hageren Indie-Idol ist ein deutlich fülligerer Mann geworden, der heute eine andere, ruhigere Präsenz ausstrahlt. Vielleicht war es genau deshalb eine bewusste Entscheidung das Konzert mit vertrauten Songs zu eröffnen. Mit dem Babyshambles-Klassiker „Killamagiro“, gefolgt von „Kolly Kibber“ und „I don´t love anyone (but you´re not just anyone)“, holte er das Publikum behutsam ab, als wolle er sagen:
„Ich bin immer noch Pete, eben nur ein bisschen mehr davon“.

Weitere seiner Solo-Songs wie „Ed Belly“, „I am the rain“, „Ocean“, „Hell to pay at the gates of heaven” folgten. Aber auch “Felt better alive”, einem Song, der nicht nur der Tour den Namen verlieh, sondern auch auf dem gleichnamigen Album zu finden ist, welches am 16.05.2025 veröffentlicht wird.
Peter sang seine Solosongs mit derselben Leidenschaft, wie auch ausgewählte Lieder seiner früheren Bands, darunter „Albion“ oder „Time for heros“. Man merkt ganz deutlich, die alten Songs ziehen ganz anders als jene, die Peter solo in den letzten Jahren produzierte und doch stehen die neuen Songs den Alten in Nichts nach.

Immer wieder zwischen den Liedern lehnt sich Peter leicht über sein Mikrofon, zieht das Comicheft mit den losen Blättern unterm Arm hervor, beginnt Geschichten zu erzählen und von einer Insel vorzulesen. Einer kleinen, fast vergessenen Insel in der Nähe von Kuba, die bis heute der DDR gehören soll. „Habt ihr das gewusst?“ fragt er ins Publikum. Die Wenigen, die seinen schweren englischen Akzent verstehen schütteln fast alle ausnahmslos mit dem Kopf. Peter schon, denn er hat seine Hausaufgaben gemacht und sich mit einem Heft voller Geschichtswissen in eine ostdeutsche Stadt begeben. Er erzählt von Ernst Thälmann, einem deutschen Kommunisten und Namensgeber dieser Insel, von Fidel Castro, welcher 1972 anlässlich eines Staatsbesuchs die Insel symbolisch an Erich Honecker und die DDR überreichte.
Kein erhobener Zeigefinger, kein Pathos, nur ein britischer Musiker, der sich aufrichtig für die Geschichte eines Landes interessiert, dessen Sprache er nicht spricht, dessen Vergangenheit aber irgendwo ein Echo hinterlassen hat. Es ist einer dieser Momente, die nichts mit der Show zu tun haben, sondern mit einem Mann, der sich auf seine Art und Weise mit der Welt offen und neugierig verbindet.
Dann wird es wieder leicht. „Did you see the rainbow today? All the way from Eisenbahnstraße to Schönauer Park. How do you say rainbow in German? Regenbogen? The next song is not called Regenbogen, but “Pot of Gold”"
spricht Peter bedacht ins Mikrofon.

Die Setlist ziehte sich durch alle Epochen seines musikalischen Lebens, von den Libertines über die Babyshambles bis zu seinen Soloarbeiten. Die Vergangenheit wir nicht verklärt, sie ist einfach da. Einer der berührendsten Momente kommt mit „Last of the English roses“. „Heute kann ich wieder über sie singen“, sagt Peter leise. Gemeint ist Kate Moss. Früher ein Tabu, heute nur noch ein Kapitel.
Das Leipziger Publikum war über weite Strecken des Abends erstaunlich ruhig und verfolgte das Geschehen aufmerksam. Doch dann kam er doch noch, der Moment, in dem der wohl berühmteste Babyshambles-Song „Fuck Forever“ das Publikum in einen Moshpit verwandelte. Für wenige Minuten brach ein Chaos los, das man an diesem Abend wirklich nicht erwartet hatte. Vom einstigen Rüpelrocker ist nichts mehr übrig. Stattdessen stand im Täubchenthal ein in sich ruhender Musiker auf der Bühne, der die Vergangenheit hinter sich gelassen hat und diese nur noch in Form von Liedern auspackt und ansonsten zufrieden mit seiner Solomusik in die Zukunft blickt. Peter hat sich verändert, nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich. Der Abend mit all seinen Fassetten, Ansagen, kleinen Gesten des Musikers, machen ihn zu einem der schönsten Menschen im Raum.
Man hatte an jenem Abend im Täubchenthal das Gefühl, Peter ist einer von uns.

(Wir bedanken uns an dieser Stelle für die Organisation und Durchführung
und der tollen Zusammenarbeit bei
Bernd Aust Kulturmanagement GmbH und FKP Scorpio Konzertproduktionen GmbH)
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